Fall 1: Office 2010 Professional PKC von deutschem eBay Händler
Nachdem wir im letzten Abschnitt die Key-Karten auf der chinesischen Webseite gesehen haben, ist das erste Testobjekt ebenfalls eine PKC der Version Office 2010 Professional. Wir werden schnell auf eBay fündig, und entdecken ein Angebot für € 169,99.
Was bei diesem Angebot als erstes ins Auge fällt, ist die Ähnlichkeit zum bereits vorgestellten chinesischen Produkt. Zum direkten Vergleich hier noch einmal der Screenshot von der chinesischen Webseite.
So, was sagt uns dies jetzt nun? Vor wenigen Monaten haben diese PKC noch das doppelte gekostet, falls sie überhaupt irgendwo zu finden waren. Nun werden sie überall zu Dumping-Preisen angeboten. Die Ähnlichkeit zur China-Version rechtfertigt definitiv einen Anfangsverdacht.
Historie der Ereignisse
19. April 2014: Wir bestellen diese Version bei einem Händler auf eBay.
24. April 2014: Der Händler markiert die Ware als verschickt.
25. April 2014: Die Ware erreicht uns als Einwurf-Einschreiben. Im Umschlag befindet sich eine eingeschweißte Packung mit der Key-Karte, sowie eine Rechnung ohne MwSt wegen Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG). Es folgen nun ein paar Fotos des Produktes.
Es schaut auf den ersten Blick alles absolut echt aus. Anscheinend haben wir die USA-Version der Software vor uns, oder eine äußerst gute Fälschung. Wir vergleichen das vorliegende Produkt mit der Office 2010 Professional Version von Amazon.com.
Was als erstes ins Auge fällt, ist der um das doppelte höhere Preis auf Amazon, und das, obwohl beim Import nach Deutschland nochmals 19% Einfuhrumsatzsteuer hinzukommen - auch als Kleinunternehmer.
Weiterhin fällt auf, dass beim vorliegenden Produkt in der oberen linken Ecke der Schriftzug "1 User 1 PC" fehlt. Insgesamt überrascht die Qualität der vorliegenden Ware. Sie sieht überzeugend echt aus. Die Analyse von Microsofts Produktidentifizierungsservice wird Klarheit bringen. Abgesehen von dem Produkt aus Österreich sind nun alle Lieferungen eingetroffen, so dass das erste Paket an Microsoft rausgehen kann.
26. April 2014: Nachdem insgesamt vier Produkte bei uns eingegangen sind, schicken wir sie gesammelt zum PID (Produktidentifizierungsservice).
30. April 2014: Laut Sendungsverfolgung ist das Paket beim PID angekommen.
6. Mai 2014: Da noch immer keine Antwort vom PID vorliegt, fragen wir telefonisch nach. Auf Grund vermehrter Einsendungen von Produkten von eBay kommt es derzeit zu Verzögerungen. Wir sind weiterhin geduldig.
12. Mai 2014: Der PID hat sich bis heute noch nicht gemeldet. Wir rufen beim Kundensupport an, um zumindest schon einmal eine Aussage bezüglich des Product Keys zu erhalten. Der Supporter beantwortet geduldig alle unsere Fragen. Der Key gehört zu einer Retail-Version, also kein MSDN und keine Volumenlizenz. Und nun kommt das große "Aber": Der Key wurde vorher bereits zwei Mal aktiviert, zuletzt am 30. Juni 2013. Zur Erinnerung: Es handelt sich um ein eingeschweißtes und versiegeltes Produkt, das wir erst vor wenigen Tagen geöffnet haben.
Die vorliegenden Erkenntnisse lassen nun keinen anderen vernünftigen Schluss mehr zu, als dass es sich bei dem Produkt im eine Fälschung handelt. Bevor wir unser Geld zurück fordern, warten wir auf die Antwort vom PID, um einen schriftlichen Beweis zu haben, den PayPal zweifelsfrei verlangen wird.
21. Mai 2014: Da die Frist für den PayPal-Käuferschutz langsam näher rückt, fragen wir per E-Mail beim PID nach, wie lange die Analyse noch dauert. In den "nächsten Tagen" sollen wir mit einer Antwort rechnen.
27. Mai 2014: Es ist soweit! Der PID schickt vier Schreiben, aber kein einziges Produkt zurück.
Wir schauen also bei eBay vorbei, um den Verkäufer zu kontaktieren und mit den Erkenntnissen zu konfrontieren. Auf eBay erleben wir die nächste Überraschung. Der Verkäufer hat nämlich keinen Shop mehr dort. Sämtliche Artikel wurden nicht nur beendet, sondern gelöscht. Es besteht keine Möglichkeit mehr, eine Bewertung abzugeben, oder den Händler zu kontaktieren.
Das einzige, was man noch machen kann, ist einen Fall zu öffnen. Wir erledigen dies nun auf PayPal. Anstatt das Geld zurück zu fordern, bestehen wir erst einmal auf Erfüllung des Kaufvertrages, und auf Lieferung einer originalen Office 2010 Professional Edition.
29. Mai 2014: Der Händler fordert auf, die Ware zurück zu schicken, damit er dem Fall nachgehen kann. Wir eröffnen ihm, dass Microsoft das Produkt einbehalten hat.
1. Juni 2014: Der Verkäufer erstattet den Kaufbetrag kommentarlos über PayPal. Der Fall ist somit abgeschlossen. Wir sehen davon ab, weiter auf eine Erfüllung des Kaufvertrages zu bestehen.
20. Juni 2014: Der Artikel taucht wie die anderen drei Käufe nicht mehr in "mein eBay" auf. Durch diese Löschung verhindert eBay jegliche Aktionen wie Kontaktaufnahme, Eröffnung eines Falls und Abgabe einer Bewertung. Der Hintergrund dieses Vorgehens von eBay ist uns schleierhaft. Nicht einmal im Archiv findet sich irgend ein Verweis auf den Kauf.